Startseite
- Perspektiven
- Zwischen Infektions- und Lieferketten: Wettlauf mit einem Virus

Zwischen Infektions- und Lieferketten: Wettlauf mit einem Virus
Während das SARS-CoV-2-Virus im Frühjahr 2020 die Welt in den Lockdown zwang, begann mancherorts gleichsam die Arbeit unter Hochdruck. Die Entwicklung und Produktion von PCR-Tests zur Verfolgung von aktiven Infektionen wurden zur Hauptaufgabe vieler medizintechnischer Unternehmen. Ihre flächendeckende Bereitstellung zeigte sich bald als eine Herausforderung der besonderen Art.

Eine Geschichte aus zwei Städten
Entwickelt wurde der Fast Track Diagnostics (FTD) SARS-CoV-2 Assay im Siemens Healthineers Standort Esch-sur-Alzette in Luxemburg, zu dem das diagnostische Unternehmen Fast Track Diagnostics gehört. Für eine kapazitätsstarke Produktion ist dieser Standort jedoch zu klein. Die Lösung bestand in der Kollaboration mit einem zweiten Siemens Healthineers Standort in Marburg:
Als eingespielte Produktionsstätte war der Standort Marburg richtig ausgestattet für unser Vorhaben. Wir arbeiteten also mit ihnen zusammen, um unsere Produktion zu steigern.
Michael Schleichert, Geschäftsführer und Leiter der Forschung und Entwicklung, Fast Track Diagnostics, Esch-sur-Alzette, Luxemburg
Die Arbeitsteilung zwischen den Standorten Luxemburg und Marburg sorgte erst dafür, dass eine Massenproduktion ad hoc überhaupt möglich war. Dabei ist die zugrundeliegende Koordination alles. Von der Anlieferung der einzelnen Komponenten bis hin zum Versand der Tests an die Verteilzentren weltweit muss jeder Schritt genau geplant sein.
Für dieses Supply Chain Management war in Marburg Mathias Ganzmann zuständig, der sich genau an die komplexen Abläufe erinnert: „Wir begannen erstmal nur mit der Verpackung und der Verteilung der Tests in Europa und Amerika, während die Abfüllungen noch weiter in Luxemburg stattfanden. Die haben wir dann nachgezogen, als wir mehr Kapazitäten hatten. Natürlich standen alle unter einem enormen Zeitdruck und wir mussten viele Schritte in kürzester Zeit umsetzen.“
Von Marburg aus wurden die Tests unter anderem an das European Distribution Center in Duisburg geschickt.

Die fertigen Tests wurden von Marburg aus an das European Distribution Center (EDC) und das American Distribution Center (ADC) geschickt.

Vertrauen und Verlässlichkeit sind das A und O
Massenproduktion in Rekordzeit
Wir hatten die drei wichtigen Zertifikate, um unseren Test weltweit bereitzustellen: Das CE-Label für den europäischen Markt, die Notfallzulassung der FDA aus den USA und die Zulassung der WHO für den internationalen Vertrieb. Wir wussten, wir würden das schaffen.
Mirza Kokic, Abteilungsleiter für Qualitätsmanagement und Regulatory, Fast Track Diagnostics, Esch-sur-Alzette, Luxemburg
Eine neue Normalität
Kokic erinnert sich an die herausfordernden ersten Monate: „Als die Pandemie ausbrach, arbeiteten wir noch nach einer Reihe von Prioritäten, die auf den Zielen von vor der Pandemie basierten, und natürlich mussten die alle geändert werden. Uns war aber klar, dass wir hier in der einzigartigen Situation waren, etwas zu bewirken und aktiv etwas gegen die Pandemie zu tun. Also taten wir es.“
Aller Bemühungen zum Trotz stellten sich bald die ersten Hindernisse ein: Der Standort in Luxemburg ²ú±ð²õ³¦³óä´Ú³Ù¾±²µ³Ù nicht nur Luxemburger, sondern auch viele Deutsche und Belgier. Kokic selbst wohnte in Trier, Deutschland, und musste jeden Tag die Landesgrenze passieren: „Normalerweise gibt es diese kontrollierte Grenze nicht, aber jetzt war da ein Checkpoint, ein bisschen wie in einer Kriegszone. Die Polizei stand dort mit den großen Gewehren und ich fragte mich ‚Wie kriegen wir das hin? Wie schaffen wir das, wenn wir das Haus nicht verlassen sollen?‘"
Nicht nur die internationalen Einschränkungen erschwerten die Situation, auch die neu etablierten Abstands- und Hygienemaßnahmen und die Unsicherheit verkomplizierten das alltägliche Arbeiten.
Werden Sie Teil des Teams Siemens Healthineers!
Masken am Arbeitsplatz, kein Händeschütteln, Mittagessen in der Kantine ausgeschlossen – die sozialen Interaktionen, die einen Arbeitstag begleiten und nicht selten auch motivieren, waren ein weiteres Indiz für eine andere Realität.

Präzision zahlt sich aus
Bevor ein SARS-CoV-2-PCR-Test für den klinischen Einsatz zugelassen werden kann, benötigt er je nach Land verschiedene Arten der Zertifizierung. In europäischen Ländern müssen die Tests eine CE-Kennzeichnung haben, in den USA ist die FDA für die Zulassung von Medizinprodukten zuständig, und in Asien sind die Regeln wieder anders.
„Wie Sie sich vorstellen können, war der Markt im Jahr 2020 überschwemmt mit Tests, die oft nicht gut funktionierten. Wir wollten sichergehen, dass unser Test zuverlässig ist,“ sagt Kokic.
Die Verlässlichkeit beruht beim PCR-Test auf zwei Parametern: der Sensitivität und der Spezifität. Die Sensitivität gibt an, wie viel Prozent der Infizierten bei einem Test auch als Infizierte erkannt werden. Wohingegen die Spezifität anzeigt, zu wie viel Prozent ein Test eine gesunde Person als gesund erkennt. Unter Laborbedingungen sind diese Prozentwerte oft sehr gut, aber in der Praxis können viele Fehler passieren, wie zum Beispiel falsche Handhabung oder eine fehlerhafte Entnahme der Probe. Auch die Untersuchung auf ein oder mehrere Virus-Gene hat Auswirkungen auf das Ergebnis.
Um einen höchst zuverlässigen Test zu entwickeln, braucht es enorme Datenmengen. „Wir wollten das Test-Kit nicht freigeben, ehe wir nicht zuverlässige und vertrauenswürdige Daten hatten,“ erzählt Kokic. „Glücklicherweise hatten wir eine Partnerschaft mit einem lokalen Labor in Luxemburg, mit dessen Proben wir unsere Tests validieren konnten. So kamen wir schnell und sicher an die klinischen und analytischen Daten und konnten die benötigten Zertifikate beantragen.“
Diese Präzision zahlte sich aus: Im Mai 2020 war der Test für den europäischen und den amerikanischen Markt zugelassen. Das macht Kokic stolz, denn:
Unser Test gehört heute zu den Top Five, wenn es um Sensitivität geht, und das war den Aufwand definitiv wert.1
Mirza Kokic, Abteilungsleiter für Qualitätsmanagement und Regulatory, Fast Track Diagnostics, Esch-sur-Alzette, Luxemburg
Pia Schönsteiner ist Redakteurin in der Unternehmenskommunikation bei Siemens Healthineers.
1