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Zugang zu Gesundheitsversorgung

Heliumunabhängige MRT verändert die Versorgung in den peruanischen Anden

Dank einer großzügigen Spende bringt innovative Technologie moderne medizinische Diagnostik in ländliche Gebiete Perus und verbessert so die Gesundheitsversorgung für indigene und arme Gemeinden vor Ort.
7min
Kathrin Palder und Jesús Veliz
Veröffentlicht am 10. Oktober 2025
In ländlichen und indigenen Regionen Perus, wie beispielsweise in Apurímac, gestaltet sich der Zugang zu Gesundheitsversorgung schwierig: Der Weg zu einem einfachen Arztbesuch kann Stunden dauern, der zu einem Krankenhaus sogar Tage. Vor diesem Hintergrund schien allein schon die Idee, einen Magnetresonanztomographen (MRT) zu installieren, unmöglich – obwohl diese Technologie für die Diagnose vieler Krankheiten unerlässlich ist. Das Vorhaben erforderte viel Innovation und Menschen, die über Tausende Kilometer Entfernung hinweg eine gemeinsame Vision vereinte: zu helfen.

Im Jahr 1991 reiste das deutsche Ärztepaar Klaus und Martina John als Rucksacktouristen durch Peru. Sie übernachteten in Andendörfern und kamen bei indigenen Quechua-Familien unter. Die Armut und den Mangel an medizinischer Versorgung, den sie dort aus nächster Nähe beobachteten, weckte in ihnen den Wunsch, eines Tages zurückzukehren und ein modernes Krankenhaus für die Ärmsten zu bauen. Und das haben sie geschafft: Am 31. August 2007 eröffnete das Krankenhaus Diospi Suyana in Curahuasi, Apurímac. Bereits im Oktober desselben Jahres wurden dort Patient*innen behandelt – und es wurde schnell zu einer Anlaufstelle für arme und indigene Familien im gesamten Süden Perus.

Bis Anfang 2025 wurden im Krankenhaus Diospi Suyana über 600.000 Patient*innen behandelt, von denen viele aus dem Amazonasgebiet, Ayacucho oder sogar Chiclayo angereist waren. „Unser Ziel ist, dass alle Patienten unabhängig von ihrer finanziellen Situation die gleiche Versorgungsqualität erhalten wie in einem europäischen Krankenhaus“, sagt Gründerin Dr. Martina John. Vor einer Herausforderung stand das Krankenhaus jedoch: Es fehlte ein MRT-Gerät, ein wichtiges Instrument der modernen Medizin, ohne dass sich viele neurologische, muskuloskelettale oder Krebserkrankungen nicht genau erkennen lassen.

Unterdessen arbeiteten Forscher*innen von Siemens Healthineers in Deutschland gemeinsam mit Kolleg*innen aus Großbritannien und China an einem ehrgeizigen Projekt, das ebenfalls schwer vorstellbar schien: Einem MRT-Gerät, das überall installiert werden kann, um die Technologie überall dorthin bringen, wo sie zuvor nicht verfügbar war. Mehr als ein Jahrzehnt lang hatten David Grodzki und Stephan Biber von Siemens Healthineers sowie Professor Michael Uder vom Universitätsklinikum Erlangen und ihre jeweiligen Teams Magnetom Free entwickelt und getestet: eine 0,55-Tesla-Scanner-Plattform, die nur 0,7 Liter flüssiges Helium (im Gegensatz zu Hunderten von Litern bei herkömmlichen Systemen) benötigt, weniger Energie verbraucht und zur Bildrekonstruktion auf künstliche Intelligenz setzt. „Wir wollten einen Scanner entwickeln, der zugänglich und effizient ist und an Orten eingesetzt werden kann, wo die Installation eines MRT zuvor nicht möglich war“, erklärt Grodzki.

Ihre Entschlossenheit zahlte sich aus: Im Jahr 2023 erhielten Stephan Biber, David Grodzki und Michael Uder den Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten. Von Anfang an war klar, dass sie ihr Preisgeld dort einsetzen wollten, wo es etwas bewirken würde. Zufällig hörten sie von Diospi Suyana – und der Rest ist Geschichte.

„Als wir erfuhren, dass es in Curahuasi noch nie ein MRT-Gerät gegeben hatte, wussten wir, dass dies der perfekte Ort war“, sagt Biber. Überzeugt von der Vision des Krankenhauses holten sie finanzielle Unterstützung von der Siemens AG und der Siemens Healthineers AG ein und erwarben ein Magnetom Free für das Krankenhaus in den Anden. Die Spende umfasst auch zehn Jahre technischen Service, Wartung und Schulung für das lokale Personal.

Innerhalb weniger Monate war das neue MRT-Gerät in Apurímac einsatzbereit. Zuvor hatte es mehr als 10.000 Kilometer zurückgelegt: von Oxford, wo die Magnete hergestellt werden, nach Erlangen zur Montage und dann weiter nach Peru. Auch zwei Teams des Universitätsklinikum Erlangen reisten an, um das Team vor Ort bei der Einrichtung ihres ersten MRT-Geräts zu unterstützen. Dank Autopilot-Modus und Fernunterstützung konnten die medizinischen Technolog*innen für Radiologie (MTR) fast sofort mit der Arbeit beginnen. 

Claudia Agustinsa sagt: „Wir wurden von den Entwicklern selbst geschult. Als eine der Ersten in diesem Teil Perus ein MRT-Gerät zu bedienen, ist eine Ehre, die ich mir nie hätte träumen lassen.“ Und ihr Kollege, der Radiologe Wilson Ferata, fügt hinzu: „Ich hätte nie gedacht, dass ich in meiner Heimatstadt mit einem MRT-Gerät arbeiten würde. Das ist sowohl beruflich als auch persönlich ein Segen. Jetzt können wir nicht nur genauere Diagnosen stellen, sondern den Patienten auch Hoffnung geben.“ Einer davon ist der 23-jährige Clinton aus Abancay. „Früher musste ich nach Lima reisen. Das war eine zweitätige Busreise und kostete mich mindestens 5.000 Soles (rund 1.200 Euro) für Fahrt, Verpflegung und Unterkunft“, erklärt er. „Jetzt kann ich hier in der Nähe meines Wohnortes behandelt werden. Die Untersuchung ging schnell, war sicher und ich musste mich nicht verschulden.“

 

Kurz nach Inbetriebnahme des neuen MRT beschlossen Biber, Grodzki und Uder, gemeinsam mit ihren Familien Diospi Suyana einen Besuch abzustatten. Biber erinnert sich lebhaft: „Als ich unseren Scanner hier im Einsatz sah, bekam ich Gänsehaut. Das ist mehr als eine Erfindung – es ist ein Gerät, das in Echtzeit Leben verändert.“ Dr. Klaus John meint: „Für uns ist damit ein Traum wahr geworden. Jahrelang hielten wir es für unmöglich, hier ein MRT zu betreiben. Dass es nun in unserem Krankenhaus steht, beweist, dass nichts unmöglich ist, wenn Wissenschaft und Gemeinschaftssinn zusammenwirken.“ Seine Frau Martina John fügt hinzu: „Wir haben ein 14-jähriges Mädchen mit einem Beckentumor behandelt. Vorher konnten wir anhand der CT-Bilder nur Vermutungen anstellen. Mit dem MRT hatten wir einen klaren Überblick und konnten die richtige Behandlung festlegen. Das ist ein riesiger Fortschritt für unsere medizinischen Möglichkeiten.“
Stephan Biber, David Grodzki und Prof. Michael Uder stehen auf einem Berg.

 

 

„Nur die Hälfte der Weltbevölkerung hat Zugang zu MR-Bildgebung. Das wollten wir ändern. Hier vor Ort in Peru sehen wir, dass Magnetom Free mehr ist, als eine Erfindung. Es ist ein Gerät, das Leben verändert.“

– Stephan Biber, David Grodzki und Prof. Michael Uder (Gewinner des Deutschen Zukunftspreises 2023)

Die Geschichte des Magnetom Free.Star in Peru zeigt, wie zehn Jahre Forschung über 10.000 Kilometer Entfernung hinweg in einem ländlichen Krankenhaus in den peruanischen Anden ihre Wirkung entfalten können. In Curahuasi – wo es vor nicht allzu langer Zeit kaum mehr als ein einfaches Gesundheitszentrum gab – finden Patient*innen heute ein modernes Krankenhaus mit Operationssälen und Fachärzt*innen vor. Und nun erstmals auch mit einem hochmodernen MRT-Gerät. „Vor zehn Jahren hielt ich 0,5 Tesla für unmöglich“, sagt Prof. Uder. „Die Ergebnisse in Apurímac haben mir das Gegenteil bewiesen. Es geht nicht nur um Physik – es geht um Innovation mit einem Ziel!“


Von Kathrin Palder und Jesús Veliz
Kathrin Palder ist Redakteurin bei Siemens Healthineers.

Jesús Veliz ist ein peruanischer Journalist.